Der folgende Beitrag soll vereinfacht auf dezentrale Technologien eingehen, die ich bereits als vierte Bedingung erwähnt habe:
[...] Dezentralisierung hat den Vorteil, dass nicht ein Anbieter das Monopol für einen Dienst hat und dadurch Macht über den Dienst besitzt. Ein weiterer Vorteil ist, dass im Falle eines Ausfalls der Infrastruktur eines Anbieters, andere Anbieter dennoch funktionieren. Und: Jede:r kann sich eine Instanz erstellen, mit der er sich ins bestehende Netzwerk einklinkt und wird damit Teil eines größeren Netzwerks. Aus Sicht der Sozialen Arbeit ist Dezentralisierung also ein Paradebeispiel für Partizipation und Inklusion.
Durch die schleichende Gewöhnung an die großen, zentralisierten und kommerziellen Anbieter ist es in den vergangenen Jahrzehnten dazu gekommen, dass viele User die dezentrale Stärke des Internets vergessen haben oder ihr gar nicht bewusst sind. Böse Zungen würden vielleicht sogar sagen, dass manche:r User:in Instagram, Whatsapp, Facebook und Google für das Internet halten. Wie bereits angedeutet, ist E-Mail wahrscheinlich einer der wenigen, durch die User:innen wahrnehmbaren dezentralen Dienste. Dabei bietet das Internet durch seine dezentrale Struktur sehr viel Potential, dass User:innen auch weitere dezentrale Dienste im Alltag einsetzen: Es gibt dezentral organisierte Software für soziale Netzwerke, Cloud-Dienste, Messenger - selbst für Videoplattformen. Und im Sinne eines auf Privacy und Datenschutz achtenden dritten Mandats "digitale Mündigkeit", sollten sich Sozialarbeitende also stets fragen, ob es nicht auch Alternativen zu Facebook, Google und Co. gibt.
Um ein erstes Gespür für das Thema zu bekommen, sollten wir jedoch zunächst einen groben Einblick in die Funktionsweise des Internets an sich bekommen. Beim Kinderprogramm des Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) habe ich ein Video gefunden, das diese ganz vereinfacht erklärt:
Am Beispiel des zentralisierten Dienstes Whatsapp zeigt das Video also, dass unsere Nachricht eben nicht direkt auf dem Handy des Empfängers landet, sondern immer über den zentralen Server des Dienstes geleitet wird. Das hat, in Zeiten wachsender Überwachungswünsche der Geheimdienste, allerdings den Nachteil, dass unsere Nachricht über viel mehr Internetknotenpunkte (also Server und Router) geleitet wird, als eigentlich für einen solchen Messenger-Dienst notwendig wäre.
Das Problem solcher Dienste liegt m.E. in zwei Aspekten:
In diesem Sinne sagt nicht nur die Hackerethik des CCC:
"Misstraue Autoritäten - fördere Dezentralisierung"
Wenn wir Dienste im Internet nutzen, sollten wir als digital mündige Menschen nicht nur wissen, wie diese jeweils funktionieren, wir sollten uns ebenso mit möglichen Alternativen auseinandersetzen. Zwar bieten dezentrale Netzwerke nicht zwangsläufig eine Lösung für das Problem mit dem grenzüberschreitenden Datentransfer und dem Abfischen unserer Daten (diesem Problem müssen wir eher mit Krypto begegnen), aber gegenüber der Machtkonzentration einzelner Unternehmen stellen sie definitiv eine Alternative dar.
Vereinfacht gesagt, kann man dem zentralisierten Client-Server-Modell aus dem Whatsapp-Beispiel zwei dezentral funktionierende Modelle entgegen stellen:
Peer-to-Peer - Netzwerke: In reinen P2P-Netzwerken verbinden sich die Clients direkt miteinander. Anwendung findet das heute bspw. beim Messenger Briar, auf den ich bereits im dazugehörigen Beitrag verwiesen habe. Dabei ist das Fehlen eines Servers Vor- und Nachteil zur gleichen Zeit: Dritte Personen können nicht auf die Daten eines Servers zugreifen, es gibt ja keinen. Deshalb werden die Nachrichten auch nicht zwischengespeichert. Die Accounts existieren nur auf dem jeweiligen Endgerät - wenn das kaputt oder verloren geht, sind damit die Nachrichten und Kontakte hinüber. Deshalb empfielt es sich, über eine Backup-Strategie nachzudenken. Briar beweist allemal, dass Messenger-Dienste keine Zentralisierung à la Whatsapp benötigen.
Förderierte oder verteilte Netzwerke: In förderierten Netzwerken verbinden sich Clients zunächst mit einem Server. Auf diesem ist eine Software im Einsatz, die sich mit anderen Servern verbindet und somit eine Art verteiltes Maschennetz aufbaut. Dadurch kann der eigene Server auch im heimischen Wohnzimmer stehen und dennoch hat der Client Kontakt zur großen, weiten Welt des Dienstes. Vereinfacht funktioniert so E-Mail. Aber auch XMPP (ehem. Jabber), ein Protokoll, dass im Messenger Conversations zum Einsatz kommt. Auch Projekte wie Diaspora oder Mastodon, die jeweils förderierte soziale Netzwerke - das sog. Fediverse - bilden, funktionieren auf diese Weise.
Dezentrale Soziale Netzwerke wie Diaspora oder Mastodon stehen uns bereits heute zur Verfügung und werden tagtäglich von tausenden User:innen genutzt. Obwohl das Fediverse noch in den Kinderschuhen steckt, funktioniert die Verknüpfung der Netzwerke bereits ganz gut. Schade ist, dass Diaspora und Mastodon verschiedene Protokolle nutzen und deshalb noch nicht direkt miteinander sprechen können. Dennoch: Ausprobieren und etwas rumtüffteln lohnt sich. Und bevor man die eigene Serverinstanz ins Leben ruft, kann man selbstverständlich über bestehende Server die Idee des Fediverse erkunden:
Um bei Diaspora zu starten, kann man die Übersichtseite der Diasporafoundation besuchen... Und anschließend dem digit.social-Profil folgen ;)
Auch für Mastodon gibt es eine schöne Einstiegsseite.
Infos zum Fediverse und eine Auflistung von Software, die sich innerhalb dieses "förderierten Universums" bewegt, findet man bei the-federation.info, fediverse.network, fediverse.party oder switching.social.
Noch ein kleiner Tipp: Nextcloud unterstützt seit Version 15 ebenso das Protokoll ActivityPub und schafft damit eine wirklich einfache Möglichkeit, als eigene Instanz im Fediverse unterwegs zu sein.
Weitere Lese- und Vortragtipps zum Thema dezentrale Netzwerke und Funktionsweise des Internets: